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Dienstag, 31. Dezember 2013

Rückblick auf die Prostitutionsdebatte 2013 - TOP SIXTEEN des Kopschüttelns


Die letzten Monaten waren geprägt durch eine stark emotionale Debatte zum Thema Prostitution, die derzeigt in vielen Ländern der Welt geführt wird. Zu Recht, denn diese Debatte war auch in Deutschland längst überfällig! Auch in Wiesbaden haben wir in unserer LISA-Gruppe oft und lange dazu diskutiert, herausgekommen ist ein Positionspapier welches hier nachzulesen ist.

Diskutieren macht mir an sich Spass, was mir aber keinen Spass macht ist Tag für Tag Artikel lesen zu müssen, bei denen mensch nur den Kopf schütteln kann. Leider gab es davon zu Hauf - in den Mainstreammedien, in der feministischen Blogosphäre, in linken Medien, aus der PROsitutionslobby, ...

Meine Negativ TOP SIXTEEN Kopfschüttel-Aussagen habe ich im Folgenden zusammengetragten. Danke an die zahlreichen Hinweisgeberinnen und vor allem DANKE, dass ich euch als Mitstreiter_innen für eine Gesellschaft, in der Frauen Menschen und keine Objekte sind, an meiner Seite weiß. Mit euch wird mir vor 2014 nicht Angst und Bange.




***TRIGGER- und WUT-WARNUNG - die nachfolgenden Aussagen sind nichts für schwache Nerven***

16) Robert Sommer, Das Blättchen

 "Fraglich ist, ob angesichts der massiven Verletzung der Privatsphäre ein solches (Anti-Freier-)Gesetz überhaupt verfassungskonform wäre." 


15) Stefanie von Berg, MdB (Bündnis 90/Die Grünen)

"Warum ist die Menschenwürde hier gefährdet? Nur weil diejenigen, die Prostitution ablehnen, ein Problem mit Intimität haben? (...)  Es ist so, dass Sexualität zum Menschsein dazugehört. Und solange Sexualität nicht frei zugänglich ist, ist Prostitution ein Teil einer menschlichen Gemeinschaft."


14) Eva Högl, MdB (SPD)

"Meinem Frauenbild entspricht das der selbstbewussten, selbstständigen Prostituierten (...) Die Frauen, die diesen Appell für Prostitution initiiert haben, sind selbstbewusste Frauen und die unterstütze ich gerne. Und Prostitution gibt es schon immer."


13) Pro Sexwork der Piratenpartei Deutschland

" • Guter Verdienst, hohe Verdienstmöglichkeit (Effizienz, Wirtschaftlichkeit) und das auch ohne Nachweis von Hochschuldiplom oder Anerkennung ausländischer Zeugnisse (Migrant_innen). Sexwork ist eines der wenigen Berufsfelder, wo Frauen mehr verdienen als Männer. Prostituiton ist ein großer Umverteilungsmechanismus "von oben nach unten" (alt nach jung) und zwischen den Geschlechtern.
 • freie gestaltung der arbeitszeiten (Flexibilität), kompatibel mit Kindererziehung (Kindergarten-Öffnunszeiten). Viele Sexworker sind alleinerziehende Mütter). Auch kompatibel mit Studium, ehrenamtlicher Tätigkeit oder sozialen Tätigkeiten im Privatbereich, bspw. Pflege der Oma, behinderter Familienmitglieder, etc."


12) Juanita Henning,  Dona Carmen e.V.

"Es gibt immer mehr tolerante Frauen, und es gibt natürlich auch solche, die mit der Prostitution über Kreuz sind. Letztere haben in der Regel Ängste und Probleme im Umgang mit der eigenen Sexualität. Sie projizieren diese Unsicherheiten auf Frauen in der Prostitution."


11) Johanna Weber, Verband für erotische und sexuelle Dienstleistungen

 "seit dem prostG haben wir so WUNDER, WUNDERschöne bordelle in denen man so WUNDERBAR arbeiten kann"  


10) Juanita Henning, Dona Carmen e.V.

 „Sexarbeit“ ist - ob man sie nun befürwortet oder nicht – in der Tat eine soziale Realität.
Nicht so der „Menschenhandel“. Menschenhandel in Anwendung auf Prostitution aber ist
lediglich eine rechtliche Konstruktion. (...)
Menschenhandel kann auch nicht beanspruchen, eine überhaupt bedeutsame soziale Realität zu sein"


9) Matthias Vernaldi, Freier

"SZ: "Glauben Sie das eine Putzfrau ihre Arbeit besonders geil findet?" Vernaldi zu seinem Pfleger: "Stefan, warum wischst du mir gerne den Arsch ab? Weil du es gerne machst?" Stefan (lacht): Nein, wegen der Kohle"


8) Julia Seeliger, Journalistin (ehemals TAZ und FAZ)

 "Für mich ist Prostitution eine medizinisch-sozialpädagogische Dienstleistung. Ich finde es auch nicht peinlich, zu Prostituierten zu gehen – solche Männer belästigen dann zumindest keine Frauen und vielleicht können die Prostituierten ja auch Sachen besser. Mir würden zumindest Sachen einfallen und ich bin nun auch keine 20 mehr.


7) Ralf Richter, Schauspieler, Unterzeichner des Appell pro Prostituion

Ist Prostitution ein ehrbarer Beruf? "Wenn eine Frau anschafft um ihre Familie zu versorgen ist das ehrenhaft. Wenn Sie es jedoch aus reiner Geldgier tut, dann ist das unehrenhaft"


6) Pinkstinks

"Solange aber selbstbestimmte Prostitution als unmöglich gesehen wird, erlaubt man Frauen nicht, ihre Sexualität oder ihre körperlichen Gefühle selbst zu definieren. Die Frau, die Sex und Liebe trennt, Spaß am Sex mit Fremden hat oder Prostitution sogar als ermächtigend erlebt, läuft dann immer Gefahr, nicht richtig zu sein;"


5) Missy Magazine

 "...es wäre vielleicht besser, jenen, die weniger privilegiert sind, als wir selbst zu überlassen, wo die Grenzen ihrer Menschenwürde verlaufen." 


4) Felicitas Schirow, Bordellbetreiberin

"Gewerblicher Sex ist ein „Grundbedürfnis des Mannes“ und ein „Menschenrecht“"


3) Juanita Henning, Dona Carmen

"Prostitution ist Völkerverständigung von unten" (über Migrationsprostitution)


2) Meredith Haaf, ehemals Mädchenmannschaft

"Schwarzer hält Frauen offensichtlich nicht für fähig, den Sex, den sie haben, von sich selbst zu trennen."


1) Stefanie Lohaus, Missy Magazine

"Vielleicht fühlt es sich aus der Perspektive einer Romafrau, die im Elend lebt und rassistisch verfolgt wird tatsächlich selbstbestimmt an, in Deutschland als Sexarbeiterin zu arbeiten? "


- Die Liste kann leider noch endlos weitergeführt werden...



Hinweis: Ich habe diesen Eintrag nicht gemacht um die Zitierten zu dissen, sondern um eine kritische Auseinandersetzung zu fordern, insbesondere in feministischen Kreisen. Es handelt sich ausschließlich um Zitate aus veröffentlichten Texten, nicht um Diskussionsbeiträge auf Facebook/Twitter und Co. Ich finde es erstaunlich, dass gerade dort eine Patriarchatskritik in Bezug auf die Prostitution scheinbar teilweise überhaupt nicht stattfindet. Insbesondere jene, die Alltagssexismus treffend analysieren und die Bedingungen unter denen er entsteht, verkehren ihre eigenen Argumentationen in der Prostitutionsdebatte ins Gegenteil. Versteht meinen Beitrag als Aufruf zur weiteren Diskussion.

Sonntag, 13. Oktober 2013

Was interessieren hier DEINE Gefühle?


In Deutschland tobt derzeit eine Debatte über die Verbannung des Wortes "Zigeuner" aus deutschen Speisekarten und von Lebensmittelverpackungen. Angezettelt wurde die in meinen Augen notwendige Debatte von Betroffenen (Verband Forum der Sinti und Roma), die sich durch die Verwendung dieses Wortes diskriminiert fühlen.

Ein Artikel der TAZ zu einem Artikel, den ich gestern abend auf Facebook geteilt habe, rief über Nacht zahlreiche Kommentare hervor und wurde auch geteilt und auf anderen Pinnwänden entsprechend diskutiert, ebenso engagiert wie in den Kommentarspalten der Pressorgane, die über den Vorstoss berichtet haben. Die meisten kommentieren aber nicht engagiert in Richtung der Überwindung des Alltagsrassismus, sondern sehen hier wieder einmal die "freie Meinungsäußerung" in Gefahr und konstatieren, dass es wahrlich dringlichere Probleme in dieser Gesellschaft gäbe, dass sie nicht nachvollziehen können wie sich jemand dadurch diskriminiert fühlen kann, so sei das doch alles gar nicht gemeint, und regen sich über die vermeintliche Wortpolizei auf. Rassismus wird weit von sich gewiesen, es handele sich um eine total unnötige Diskussion.

Eine solch unreflektierte Betrachtungsweise macht mich betroffen und verdammt wütend. Wer so argumentiert, dem möchte ich entgegenschreien:
Wer gibt DIR das Recht über Sinn und Unsinn einer solchen Debatte zu urteilen? Wer gibt DIR das Recht Prioritäten zu setzen was die drängendsten Probleme dieser Gesellschaft sind? Wer gibt DIR das Recht zu entscheiden ob/wann sich jemand diskriminiert fühlen darf?

Gehörst DU etwa zu denjenigen, deren Vorfahren im Nationalsozialismus einem Völkermord zum Opfer gefallen sind wie der Vorsitzende des Forum der Sinti und Roma, Regardo Rose, der Buchenwald, Bergen-Belsen und Auschwitz durchleiden musste? (es wird von einer Zahl von etwa 500.000 toten Sinti und Roma des nationalsozialistischen Rassenwahns ausgegangen, plus diejenigen die den Wahnsinn überlebt haben)

Gehörst DU etwa zu denjenigen, die die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit gegen Sinti und Roma tagtäglich erleben müssen? (nach aktuellen Umfragen sind ca. 68% der Bevölkerung antiromanistisch eingestellt und pflegen hartnäckige Ressentiments gegen Sinti und Roma, in einer Umfrage unter Betroffenen klagen über 80% über Diskriminierungserfahrungen)

Gehörst DU zu denjenigen, die aus ihren Geburtsländern geflüchtet sind, weil Sinti und Roma dort regelmäßig Opfern von regelrechten Pogromen werden (z.B. Ungarn, Tschechien, Slowenien oder Bulgarien)?

Gehörst DU zu denjenigen, deren Familine vor rund 20 Jahren aus dem Kosovo (Erinnerung: Krieg mit deutscher Beteiligung) geflüchtet sind, hier aufgewachsen sind und ein soziales Umfeld aufgebaut haben, und nun in Massendeportationen über die deutschen Flughäfen in die "Heimat" (mit der insbesondere die jüngeren gar nichts mehr verbinden können) abgeschoben werden?

Gehörst DU zu denjenigen, die hier in Deutschland vor unserer aller Augen tagtäglich ausgebeutet werden und kaum einer tut etwas dagegen? (durch skrupellose Vermieter, die Löcher (Wohnung wäre übertrieben) zu Wuchermieten feilbieten; durch Unternehmen die Menschen, denen man die Arbeitnehmer_innenrechte verwehrt, in Scheinselbstständigkeiten treiben und für 0,64 Euro Stundenlohn malochen lassen; durch Menschenhändler_innen, die junge Mädchen mit großen Versprechen nach Deutschland locken und im "größten Puff Europas" für sie anschaffen lassen)

Gehörst DU zu denjenigen, die in schöner Regelmäßigkeit Medienberichte und Politiker_innenstatements ertragen müssen, die weitgehend unwidersprochen auf unerträgliche Weise rassistische Stimmungsmache verbreiten und Stereotype reproduzieren (Sinti und Roma sind "dreckig" und vermüllen die Gegend, verbreiten Krankheiten, kümmern sich nicht um ihre Kinder, sind eh nur wegen dem Kindergeld hier, und und und und und und und ....)?

Gehörst DU zu denjenigen, die sie einen rumänischen oder bulgarischen Pass haben regelmäßig als "Zigeuner" beschimpft werden (obwohl du gar nicht zur Minderheit der Sinti und Roma zugehörig bist)?

.... (die Liste kann beliebig weitergefüht werden)


Nein, DU gehörst nicht zur betroffenen, diskriminierten Minderheit oder den genannten Personengruppen?
Es tut mir leid, aber dann spielen DEINE Gefühle und Empfindungen in der Debatte leider schlichtweg keine Rolle. DU sprichst aus einer privilegierten Position, die sich nicht auch nur annähernd in die Lebenssituation der betroffenen Personen hineinversetzen kann (auch empathische, gut informierte Personen, die sich mit Rassismus auseinandersetzen und dagegen engagieren, können sie maximal erahnen, aber sie erleben sie nun mal nicht am eigenen Leib)

Und wenn nunmal Betroffene fordern, dass das Wort "Zigeuner" endlich aus unserem Wortschatz verschwinden soll, weil SIE sich dadurch diskriminiert fühlen, dann haben WIR gefälligst unserer Verantwortung aus den Verbrechen des Nationalsozialismus gerecht zu werden und diesem Wunsch nachzukommen. Und nein: Dadurch haben wir den Rassimus noch lange nicht aus unserer Gesellschaft eliminiert und sicherlich: die drängensten Probleme bleiben. Aber warum nicht einfach hiermit mal ENDLICH ANFANGEN! WTF!


Nachtrag: Schmeckt das Fleisch eigentlich schlechter, besser, anders, ... wenn es plötzlich Paprikaschnitzel heißt (wie es vor 1957 ürbigens gehießen hat, bevor man ihm eine "exotische Note" verpassen wollte?)