Linke FeministInnen in der Sackgasse?
«Ich bin es so verdammt leid. Ich bin es leid, mir diese MarxistInnen anzuschauen, diese SozialistInnen, diese AnarchistInnen, diese ach so revolutionären Leute, die Frauen da draußen in der Kälte stehen lassen. Ich bin es leid, dass sie in allen Fragen radikale Positionen einnehmen, außer bezüglich der Sexindustrie. Denn wisst ihr, wir können die Welt verändern, wir können eine neue Gesellschaft schaffen – eine, die fair ist, gerecht, frei und egalitär – aber wir erhalten eine Klasse von Frauen für Blowjobs.» (Meghan Murphy)
Die Kanadierin Meghan Murphy spricht mir – und vielen anderen – damit aus dem Herzen. Noch nie zuvor habe ich mit Teilen der deutschen Linken und der feministischen Szene so sehr gehadert wie in der Auseinandersetzung mit der milliardenschweren Sexindustrie. Mein Verständnis von Feminismus entspricht dem der US-amerikanischen Feministin Barbara Smith, die sagte: «Beim Feminismus geht es um die Befreiung aller Frauen, alles darunter ist kein Feminismus.» Oder um es mit Gail Dines zu sagen: «Neoliberale Feministinnen fordern die Hälfte des Kuchens ein. Wir radikalen Feministinnen wollen gar nichts von diesem vergifteten Kuchen.» In meinen Augen muss sich die Linke entscheiden: Richten wir uns gemütlich ein im Ultrakapitalismus und fordern ein paar Aufsichtsrats– und Geschäftsführerinnenpöstchen hier und bessere individuelle Karrierechancen dort, geben wir uns mit dem «Empowerment» einzelner Frauen zufrieden, oder nehmen wir endlich den Kampf auf für die Befreiung aller Frauen, die in diesem neoliberalen System in der Regel als erste unter die Räder kommen? Ich meine mal ernsthaft: In einer Gesellschaft, in der mehr als jede dritte Frau im Laufe ihres Lebens Betroffene von irgendeiner Form von Gewalt wird: Sind DAS wirklich unsere Prioritäten als linke Feministinnen? Ist es nicht Zeit unseren Fokus neu zu schärfen?